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  • andreameitinger

Empfangen dürfen

Aktualisiert: 2. Sept. 2021

Seit Jahren bin ich fleißig damit beschäftigt, mich, mein Inneres, meine Seele immer mehr zu fühlen. Ich gehe dem tiefen Wunsch nach, immer mehr meiner Herzensstimme zu vertrauen. Als ich mich neulich wieder innerlich in einer neuen Situation betrachtete, da spürte ich zum ersten Mal ein neues Muster in mir. Eine Verhaltensweise. Ein innerer Prozess an Gefühlen und Gedanken, die schon komplett im Automatismus bei mir verankert schienen, so dass ein Bemerken wohl so lange unmöglich war.

Dem Ganzen ging eine Leidensgeschichte hervor. Eigentlich eine ganz lange Leidensgeschichte. Aber ich beschreibe mal nur die Spitze des Eisbergs.

Ich schrieb 2016 ein Buch. Voller Freude, voller Euphorie. Dass das meine Erfüllung wäre und bestimmt auch den Geist der Zeit und der Menschen genau treffen würde, da war ich mir sicher. Jäh landete ich auf dem Boden der Tatsachen, als sich weder Verlage, noch Agenten für mich interessierten.

„Patsch“, wie eine Ohrfeige, so fühlte es sich an, wenn wieder eine Absage ins Haus geflattert war. Ich hatte in dieser Zeit mehrere Situationen, in denen ich Niederlagen einstecken musste, erkennen musste, dass ich nichts bekam. Oder nicht das, was ich mir wünschte. Dann, nach Monaten des Wankens, war ich stark genug, in einer erneut ähnlichen Situation mich offen für die Gefühle und Gedanken eines solchen Prozesses zu öffnen.

Ich fühlte jeder Regung meines Körpers nach, blickte nach jedem Gedanken, der sich auftat. Spürte jede Gefühlsfaser auf. Und dann, die erschreckende und zugleich erleichternde Sicherheit:


Ich selbst hatte einen Klotz in mir. Wahrscheinlich schon über Jahrzehnte. Das ist mal das Objekt, das das Gefühl hierfür beschreiben soll. Ein Klotz. Eine in sich verkapselte Härte, die sich wohl im Laufe der Zeit in mir zusammengezimmert hatte. Es könnte auch eine Art „Selbstbestrafer“ sein, der sich aus vergangenen Ablehnungen kreiert hatte. Aus eigenen Schuldgefühlen heraus, aus tiefer Scham heraus, so fühlte es sich an.

Dieser Schmerz der Ablehnung schien so groß zu sein, dass ich bemerkte, wie mir mein Herz immer schmerzte, wenn ich selbst jemanden enttäuschen musste, oder jemanden versetzen musste.


Meist wirkt das Muster im Innen wie im Außen. Dass hier jedes Mal mein eigener Schmerz aufkam, wenn ich jemandem absagte, das wurde mir erst vor Kurzem klar.


Je länger ich diesen Klotz, diese Härte, dieses Stumpfe in mir betrachtete und durchfühlte – und ich rede hier von vielen Monaten – desto mehr konnte ich ein neues Gefühl in mir entdecken. War es neu, oder war es verloren gegangen, dieses neue Gefühl? Wurde es von mir freigeschaufelt, in der letzten Zeit?

Den Moment, in dem ich zum ersten Mal wieder spüren konnte, wie schön es ist, zu empfangen, etwas geschenkt zu bekommen, den werde ich für immer in meinem Herzen speichern. Dieses Glücksgefühl, nehmen zu dürfen. Gesehen zu werden. Angenommen zu sein. Haben zu dürfen.

Das „verletzte“ Gefühl in mir trug nämlich das Bild eines grausamen Türstehers. Der sich sofort verschloss, sobald sich ein Wunsch in mir äußerte. Der sofort die Türen verriegelte, bevor der andere überhaupt fähig war, zu geben. Der mich selbst schonungslos somit von allen Geschenken abschottete.



Ich konnte es anfangs nicht fassen. Ich hatte eine akute Leidenszeit von ca. 20 Jahren hinter mir. So lange – mit anderen Themen verknüpft – trug ich schon dieses Muster in mir. Wenn ich weiter zurückdenke, dann könnte es sogar schon 43 Jahre zurück seinen Ursprung haben. Seit meiner Geburt.

Schon als Kind kam ich mir wie ein Einzelkämpfer vor, der sich alles hart erarbeiten musste, um überhaupt überleben zu können. Dem nichts geschenkt wird.

Aber eigentlich bin ich ganz anders. Ich brauche die Menschen. Helfe gerne, möchte aber kein alleiniges Alphatier sein. Ich kann führen, muss mich selbst aber total geborgen fühlen und ein sicheres Umfeld um mich haben, das mich nährt und schützt.

Je näher ich dieses „verletzte Kind“ in mir betrachte, umso mehr zeigt sich sein Wesen. Es glich einem zutiefst verstörten Tier, das wirr und unsicher umherirrt. Das Angst hatte vor der Nähe und sie doch so brauchte. Das gleich die Hand wieder zurückzog, wenn es eine Reaktion erwartete, aus Angst, doch verletzt oder abgelehnt zu werden.


Ich hüte dieses liebevolle Bündel nun in mir. Wünsche mir, dass es heil wird. Dass es groß und stark wird. In sich geborgen. Dass es mit Liebe stets durchtränkt ist. Dass es sich bis in die tiefste Faser sicher fühlt. Dass es JA sagen kann, zum Leben, zur Lebendigkeit. Voll Freude, Verzücken und Frieden. Dass es weich sein darf und die antrainierte Härte loslassen kann.


Mich wundert es kein bisschen mehr, dass ich oft übersehen wurde im Leben. Ich hatte ja alles abgeschottet. Ließ meine tiefsten Wünsche unsichtbar werden, unfühlbar sein. Wie sollte mich somit jemand beschenken können?


Diese Erkenntnis kommt jedoch erst am Schluss eines Zyklusverlaufs. Vorher, als ich meinem Abgelehntsein noch Ausdruck verleihen musste, da war die Zeit noch nicht reif für dieses sanfte Annehmen. Der Prozess der Verarbeitung war somit noch in vollem Gang. Da flossen Tränen, da schwang mein Boxbeutel wild von links nach rechts und da stampfte ich mit letzter Kraft meine Beine ins Trampolin, um die Wut über diese Ohnmacht, über dieses Muster, das so lange in mir geschwiegen hatte, zu verarbeiten.



Sobald aber der Ursprung fühlbar ist, öffnet sich eine unendliche Weiche im Inneren. Das Herz wird ganz weit. Es gibt keinen Schuldigen mehr, der einem in irgendeiner Weise etwas zuleide tun will. Es ist gut. Einfach nur gut.


Frieden.






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